Tamara Danz - So ´ne kleine Frau...

Wie wird man einer Person wie Tamara Danz gerecht? Sie wird von den Menschen in Ostdeutschland so sehr verehrt, dass in Berlin und Thüringen Straßen nach ihr benannt wurden. Ihre Band Silly ist, auch nach ihrem viel zu frühen Tod, noch erfolgreich. Axel Prahl, Anna Loos, Jan Joseph Liefers, jetzt Julia Neigel und AnnA R. sangen und singen ihre Lieder. Diese Lieder sind noch immer kein bisschen gealtert. Mich begleiten sie schon mein ganzes Erwachsenenleben.

Frühe Bilder von Tamara zeigen eine Frau mit einem verschlossenen, abweisenden Gesicht. Man glaubt gern, dass ihre Blick töten könnten oder zumindest versteinern. Die Haare, eine vom Kopf abstehenden Mähne, macht sie einer Medusa ähnlich. Sie benahm sich anders und sah anders aus als der Durchschnitt von uns. Sie war Projektionsfläche für alle, die auf irgendeine Weise mit ihrem Leben nicht zufrieden waren. 

Ich lernte sie mit dem Lied "So ´ne kleine Frau" von 1984 kennen und es haute mich total um. Sie sang über eine Frau, für die meine Mutter kein einziges gutes Wort gefunden hätte. Ich konnte mich sofort mit jener Frau identifizieren. Tamara sang das Lied mit fast kühler Distanz, vorurteilsfrei. Nach dieser ersten Begegnung mit der Musik von Silly, konnte ich nicht mehr genug bekommen. Ich war süchtig nach diesen Liebesbatailionen, den Zigarettenpapiervögeln, den Bittermandelshakes, den verlorenen Kindern, den Selbstmörderinnen auf dünnem Eis, den Landekreuzen auf der Seele, fliegenden Fischen und instandbesetzten Häusern.

Ich selbst komme aus einem sehr durchschnittlichen Elternhaus. Zugegeben, 9 Kinder sind nicht durchschnittlich, es war aber auch das Einzige womit wir aus dem Rahmen fielen. Tamaras Elternhaus war anders. Der Vater, Außenhandelsvertreter der DDR, arbeitete jeweils für mehrere Jahre im "sozialistischen Ausland", die Mutter, Kindergärtnerin, war ihre Vertraute und Freundin. Und auch Tamara war anders als alles, was ich kannte. Sie sprach bulgarisch, rumänisch und russisch fließend. Sie erschien mir so cool, verrückt und unglaublich stark. Wenn ihr etwas nicht passte, sagte sie es, als hätte sie vor nichts und niemandem Angst. Sie erschien mir wie der Paradiesvogel aus einem ihrer Lieder. Sie hätte sicher, wie er, über meine kleinen Träume gelacht.

Zu Wendezeiten war sie in vielen guten und schlechten Talkshows zu sehen. Immer ging es ihr um die Menschen, die mit der Wiedervereinigung ihre Vergangenheit, ihre Identität, ihre Kultur verloren hatten. Sie wurde durch Gregor Gysis Überzeugungsarbeit Gründungsmitglied im "Komitee für Gerechtigkeit", saß am runden Tisch und  unterzeichnete den Aufruf "Für unser Land". 

Wir, die wir nicht mit ihr lebten und nur das erfuhren, was wir bei ihren Konzerten sahen oder was in irgendwelchen Zeitungen stand, lernen Tamara Danz wahrscheinlich am besten durch die Aussagen der Menschen kennen, die mit ihr zu tun hatten. Und natürlich durch ihre Lieder.

Alexander Osang, der ein Buch über sie schrieb, meinte: "Sie kritisierte die ostdeutschen Politiker und wirkte, als hätte sie auch keine Probleme damit, Helmut Kohl ins Gemächt zu treten." 

Ritchie Barton, Keyboarder der Band und 6 Jahre lang ihr Partner, sagte: "Es ist schwer zu erklären, aber ich hab sie wirklich bis zum Schluss geliebt. Sie war mein bester Freund." 

Toni Krahl von der Gruppe City: "Sie war die Sonne. Wer sich in ihren Dunstkreis bewegte, fing an zu leuchten." 

Ihr Anwalt, Gregor Gysi, bewunderte an ihr u.a., die Schwäche für die Schwachen. 

Die beste Freundin, Angelika Weiz, selbst eine hervorragende Jazzinterpretin, erzählte: "Es gab nicht so viele Frauen wie Tamara. Schon gar nicht in dieser Branche. Sie war neidlos. Sie hat dir alle Erfahrungen, die sie machte, weitergegeben. Die Guten und die Schlechten."

Werner Karma, ihr langjähriger Texter, schrieb, nach ihrem Tod, in einem Brief an sie: "Ich sitze inmitten einiger Fotos von dir auf dem Fußboden meines Arbeitszimmers und fühle mich wie ein Zeitreisender, dem unterwegs die Zeitmaschine kaputtgegangen ist. Und dem langsam klar wird, daß er nie wieder nach Haus´ zurückkehren kann."

Am Ende ihres Lebens heiratete sie Uwe Hassbecker, Gitarrist der Band, mit dem sie seit ein paar Jahren zusammenlebte. Er war derjenige, der sie bis zu ihrem Tod pflegte. Er lernte Infusionen legen, übte das Spritzen an der eigenen Haut und war bei ihr bis zum Schluss. Sie starb am 22. Juli 1996 mit nur 43 Jahren an Brustkrebs. Kurz vor ihrem Tod konnte die Band noch ihr letztes Album "Paradies" vollenden. Die Texte dafür schrieb Tamara alle selbst. Dieses Album klingt wie ein Abschied von dieser Welt, von dieser Zeit, von diesem Land und gehört zum Besten, was die Nachwendezeit hervorgebracht hat.

Als ich von ihrem Tod hörte, heulte ich, als wäre mit Tamara Danz noch sehr viel mehr gestorben.


Mein Dank gilt Alexander Osang, aus dessen Buch "Tamara Danz - Legenden" von 1997, erschienen im Ch. Links Verlag, die meisten der Zitate stammen.


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