Demokratisierung in der Kunst?!

Lina Fleer,  https://www.youtube.com/watch?v=joywLfsXW8k&t=124s

Auf der Suche nach Programmen, die mir die Arbeit an meinen Bildern am PC erleichtern könnten, stieß ich unerwartet auf eine mir bis dahin völlig unbekannte Welt: Ich hatte zwar bei Kindern schon gesehen, dass sie auf Youtube anderen Kindern und Jugendlichen beim „Gamen“ zuschauen, aber ich fragte mich immer: Warum spielen die denn nicht selbst? Warum schauen sie nur zu? Eine Antwort darauf fand ich auf einem ganz anderen Gebiet.

In der „analogen Welt“ besuchen angehende KünstlerInnen eine Kunsthochschule, bekommen also eine akademische Ausbildung, sind womöglich sogar MeisterschülerInnen.
In der Digital-Kunst, denn um diese geht es hier, spielt die akademische Ausbildung keine Rolle. Diese KünstlerInnen sind nicht mehr abhängig von einer Hochschule, wo über ihre Begabung oder Eignung entschieden wird sondern sie bilden sich selbst aus. Und das mit Hilfe anderer KünstlerInnen, die es auf die gleiche Art gelernt oder es sich selbst beigebracht haben. In Filmen auf Youtube zeigen diese „LehrerInnen“, was sie können. Auf diese Weise kann man alles lernen. Von der Perspektive, über den Bildaufbau, die Schatten, die Farben, einfach alles.
KünstlerInnen drehen Filme über die Entstehung ihres Bildes. Sie kommentieren und erklären. Die „SchülerInnen“ schauen zu und lernen. Sie suchen selbst aus, was sie interessiert, was ihnen beim Vorwärtskommen hilft, welcher Lehrer, welche Lehrerin ihnen am besten gefällt, oder am verständlichsten erklärt. Was die Lernenden daraus machen, wird ihre Zukunft zeigen. Hier wie dort sind das Talent, die Leidenschaft und die Ausdauer ausschlaggebend.
Inhaltlich steht nicht mehr das fertige Bild, das ich mir über das Sofa hängen kann, im Mittelpunkt, sondern die Entwicklung, von der Idee bis zum Ergebnis. Nicht das endgültige Werk ist das Wesentliche, sondern der Weg dahin. Die UserInnen sehen den Film, hören was der Lehrende sagt, wie sie sich präsentieren und es kommt an oder nicht. Gemessen wird in Klick-Zahlen.

Und es hat jeder Zugang! Es gibt keine Kommission, die entscheidet ob mein Schulabschluss der Richtige ist und ob mein Talent ausreicht um an das nötige Know-how zu kommen. Das gesammelte Wissen ist für alle da. Jeder und jede die sich interessiert, kommt ran und jede, die es will, kann es nutzen. Und zwar kostenlos. Das nenne ich demokratisch!
Es finden sich natürlich viele junge Leute unter den „Digitalen“. Sie wachsen ganz selbstverständlich in diese Welt hinein. Den Umgang mit Programmen lernen sie intuitiv. Tutorials gehören für sie zum Alltag. Bis wir Alten fertig sind zu spekulieren ob das denn gut sein kann, sind die jungen Leute längst an uns vorbeigezogen.
Die Hardware ist für alle erschwinglich. Einen Computer hat inzwischen jeder zu Hause, einen Arbeitsplatz auch. Der Schreibtisch muss nicht mal groß sein, man braucht ein gutes Programm, z. B. KRITA, welches auch kostenlos ist (hab ich hier schon mal beschrieben: https://baerbel-thuerer.blogspot.de/2018/02/teures-malprogramm-vs-freeware.html), und fertig ist das virtuelle Atelier. Farben, Stifte, Pinsel, Leinwand alles ist drin.

Natürlich höre ich schon wieder: Kann das denn Kunst sein? Es ist die alte Frage: Ist das Kunst oder kann das weg? Und es ist die Frage: Wer entscheidet, was Kunst ist? Im Netz entscheiden nicht Galerien und KritikerInnen was Erfolg hat, sondern User. Es entwickelt sich eine subversive Parallelwelt, von der wir erwachsenen, geschulten „KunstkennerInnen“ kaum bis gar nichts mitbekommen.

Und was passiert mit den Bildern, wenn sie fertig sind?
Für manche hat sich, wie oben beschrieben, ihr Zweck erfüllt. Für andere gibt es inzwischen virtuelle Ausstellungen. Und Kunstmessen werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Wer weiß ob es nicht auch schon einen Marktplatz für so etwas gibt: Ich kaufe ein Bild, d.h. mit seiner Entstehungsgeschichte, geliefert wird es auf einem Datenträger. Den Datenträger stecke ich in meinen elektronischen Bilderrahmen und da drin sehe ich die Entstehung des Bildes, oder auch nur das Bild, oder abwechselnd die verschiedenen Bilder meiner Sammlung.
Ich finde das faszinierend!



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